„Mu à la force humaine“ – Die Herrentour 2017 auf der Maas

Achim Goffart

Es waren einmal drei Brüder, die wanderten in den 1760er Jahren aus ihrem in den französischen Ardennen an der Maas gelegenen Heimatort Fumay aus und ließen sich in Kaltherberg in der Eifel nieder. Dort fanden sie ähnliche Schiefervorkommen wie in ihrer alten Heimat vor und erlangten eine Lizenz zum Schieferabbau. Sie sind die Ahnen einer heute weitverzweigten und großen Familie. Das ist insofern von Belang für diesen Bericht, als die drei den Namen Goffart trugen. Unser Clubmitglied Achim ist Nachfahr einer der drei Gebrüder und er wollte schon immer die Gegend besuchen und sehen, aus der seine Vorfahren kamen. Die Gelegenheit, das in die Wege zu leiten, ergab sich auf dem letztjährigen Sommerfest der Herrentour-Mitglieder, auf dem das Ziel der nächsten Tour festgelegt wurde. Achim schlug also die Maas vor. Ihm war klar, dass sein familiäres Motiv als Argument etwas dünn gewesen wäre und deshalb hob er ab auf die wunderschöne Flusslandschaft, die fast keiner von uns kannte. Der Vorschlag fand Zustimmung.

Exkurs: Die Herrentour

Im Jahr 1964 bestellte der CfWP drei Wanderruderboote bei der (von Georg von Opel gegründeten) Firma Opelit in Flörsheim/Rüsselsheim am Main. Die wurden im folgenden Jahr fertiggestellt und von männlichen Clubmitgliedern von Rüsselsheim nach Porz überführt. Kaum war der Rhein erreicht, übersah Steuermann Peter „Pinno“ Breuer eine flach überspülte Kribbe, die ein großes Loch in das Boot riss, das nur notdürftig geflickt werden konnte.

Das war die erste Herrentour. Bei dieser wie allen folgenden war und ist Dieter Frangenberg dabei.

Im Laufe der Jahre wurden praktisch alle geeigneten Flüsse Deutschlands befahren, auch österreichische, schweizer, italienische und tschechische Gewässer. Die 2009er Tour ist mir besonders gut in Erinnerung. Sie führte von der Ilmenau in der Lüneburger Heide über die Neetze, den Elbe-Seitenkanal und die Elbe nach Hamburg. Die Tour begann an Christi Himmelfahrt („Vatertag“). Die schmale und kurvenreiche Ilmenau bot ein buntes Bild aller möglichen und unmöglichen, äh,  Kleinbötchen, beladen mit Bierkästen und fröhlich Feiernden. Oft mussten die Ruder lang gemacht werden, weil man in dem Gewusel nicht durchkam. Da geschah es, dass ein Ausleger unseres Bootes die Bordwand eines winzigen Billig-Schlauchbootes streifte und das Luftpolster sauber von vorne nach hinten aufschlitzte. Fassungslos sahen die Insassen, wie sie mit ihrem Schiffchen sanken. Sie blieben aber vergleichsweise heiter, und mit einem 20-Euro-Schein wurde die Sache friedlich erledigt. Und nun zurück zur Maas-Fahrt:

Die Vorbereitungen …

…begannen Monate vor der Tour. Wolfgang Gloeckner erwirkte beim Prefet des Ardennes in umfänglichen Schriftwechseln und Telefonaten die erforderliche Autorisation speciale de Naviguer avec Bateau a Rames. Darin wurde festgehalten, dass ein gewisser Monsieur BORSCH á organsiser un parcours de navigation sur la Meuse avec 4 embarcations du 15 au 17 juin 2017 de Revin á Givet. Auch die Suche nach geeigneten Restaurants und Hotels für unsere 20-Mann-Truppe war nicht einfach. Norbert erkundete per Google Earth die ins Auge gefasste Strecke nach Anlegemöglichkeiten.

Der Vortrupp

Am Mittwoch, den 14. Juni brach ein Drei-Mann-Vortrupp auf. Er sollte 1. beim Schleusenwärter von Givet die unbedingt erforderlichen Mu à la force humaine-Vignette (mit Vorrichtung zum Aufkleben aufs Boot) (Foto) für die Boote ausstellen lassen. Dieses dauerte: Nach Vorlage des vom Prefet unterzeichneten Schreibens und dessen gründlicher Prüfung durch den Schleusenwärter begann eine strenge Befragung: Erst noch einmal nach den Namen der Boote, das waren JUPP, KLOOS, NEPTUN und – mangels Umlauten auf der Tastatur – BOEFF. Dann wurde nach Länge, Breite und Tiefgang(?!) gefragt; wir gaben – in sehr bestimmten Ton – irgendwas an. Sodann: ein Verantwortlicher für jedes Boot, samt deren Adressen sollte benannt werden. Die anschließende Übertragung dieser Fundamentaldaten auf den PC gestaltete sich als schwierig, weil die Bedienung der Tastatur dem Wärter erkennbar nicht so geläufig war wie das Öffnen und Schließen der Schleusentore. 2. in Revin die beiden per Satellitenfoto ausgewählten Einstiegsmöglichkeiten für die Boote auf ihre Eignung begutachten.

Die eine kam nicht in Frage, die andere wäre ideal gewesen, aber der Steg war wegen einer Baustelle nicht gut zugänglich. Einer der Bauarbeiter, ein perfekt deutsch sprechender Italiener bot an, seinen marokkanischen Boss zu bitten, unsere Boote mit dem großen Baustellenkran ins Wasser zu lassen – fliegende Boote wie in Zündorf beim Einkranen. Der Chef genehmigte das auch, aber daraus wurde leider nichts, weil Bedenkenträger auf unserer Seite, nun, Bedenken trugen. (Das war dann schon am Donnerstag). 3. ein Picknick für die am Donnerstag mittag erwartete Haupttruppe der Tourteilnehmer organisieren. Im 6.000-Seelen-Örtchen Givet, in dem wir in zwei Hotels (Platz für zwanzig Leute gab es in keinem) Standquartier genommen hatten schauten wir uns schon mal das Abendessen-Restaurant für den kommenden  Abend an. Offensichtlich hatte die ganze Gegend einmal wirtschaftlich bessere Zeiten erlebt; zwar machte alles einen gepflegten Eindruck, dennoch gab es viel Leerstand bei den Ladenlokalen.

Die Reise

  1. Tourtag. Donnerstag: Revin – Fumay.

    Die beiden Busse mit den restlichen Tourteilnehmern kamen am späten Mittag an der Anlagestelle in Revin an. Nach üppigem Picknick begann die Tour gleich mit der Durchfahrt durch einen Tunnel. Der war gut 200 Meter lang, unbeleuchtet und sehr schmal (Zwischen Plätten und Tunnelwand nur wenige Zentimeter Platz). Auf der Maas gibt es mehrere dieser Tunnel an Stellen, an denen der Fluss derart ausgeprägte Schleifen beschreibt, dass linkes und rechtes Ufer nahe beieinander liegen. Die Ufer sind steil und dicht bewaldet. Drei kleine Schleusen waren zu überwinden; das ging recht flott, weil die automatisch betrieben werden: Nähert man sich der Schleuse, kann man per Fernbedienung (telecommander) die Schleusentore öffnen. Die Maas ist auf der französischen Seite ein Paradies für Wassersportler: keine Berufsschifffahrt, nur wenige Kanuten, sonst: nichts. Ende der Tour an diesem Tag in Fumay („Goffart-Town“) nach 13,8 km. Mit den Bussen weiter in die Hotels von Givet, die beide an der Uferstraße liegen. Abendessen in der Maison Baudoin.

  2.  Tourtag: Die zweite Etappe führte von Fumay nach Givet. 20,5 km. Schleusen. Mittagpause. Ankunft am Club Nautique Givetois Aviron mit freundlicher Bier-Begrüßung. Abends hatten die Teilnehmer das erste und letzte Mal auf dieser Tour frei. Jeder durfte nach Belieben essen und trinken gehen! Im Ort schöne abendliche Beleuchtung, das Ganze bewacht von der wuchtigen Festung Chaumont hoch über Givet.

 

3. Tourtag: Am Samstag fuhren wir von Givet zur Ile d` Yvoir, einem kleinen Inselchen in der Maas und querten dabei die französisch-belgische Grenze. Ingesamt 30,9 km. Wir passierten Dinant, den Geburtsort des Saxophon-Erfinders Adolphe Sax. In der letzten Schleuse auf französischer Seite, Givet, wurden abschließend noch einmal die Papiere kontrolliert und musste der telecommander abgegeben werden. Bei Verweigerung hätte, wie der Schleusenwärter (im Scherz?) gestisch andeutete, Verhaftung gedroht.

In der Wallonie, also Belgien änderte sich die Bebauung: Anstelle der kleinen Häuschen in Frankreich zeigte sich mehr und mehr Großherrschaftliches und Schlösser. Angeblich wohnen dort viele Franzosen wegen der in Belgien niedrigeren Steuern. Und noch etwas änderte sich: Ab der Grenze wurden wir begleitet von der Wasserschutzpolizei, die uns mit Blaulicht vorausfuhr. Warum wir so intensiv geschützt oder bewacht wurden, blieb unklar. Angenehm war, dass die Schleusen ohne Wartezeiten für uns geöffnet wurden, egal, wie viele Schiffe auf der Gegenseite warteten. Unangenehm war, dass die Wasserschützer den Dieselmotor in den Schleusen weitertuckern ließen. In Belgien nahm der Schiffsverkehr zu, ab und an auch ein großer Lastkahn. Abends ein vorzügliches Drei-Gänge-Menü samt vorherigem Gruß aus der Küche und guten Weinen bei Giv‘ & Mouettes in Givet.

Der letzte Tag …

…führte von der Ile d‘ Yvoir nach Namur, das waren noch einmal 20,4 km. Mittags ein vom Landdienst besorgtes Picknick auf dem Gelände des Royal Club Nautique de Sambre et Meuse, ein 1862 von dem bedeutenden Graphiker und Illustrator Félicien Rops gegründeter Verein. Hat man auch nicht alle Tage: Die Verbindung von Sport und Kultur. (Fotos) Der Schiffsverkehr nahm zu, die Maas wurde breiter, die Berge traten zurück und in Namur endete unser französisch-belgischer Ausflug.

„Erfolgreiche Wanderfahren bestehen im Wesentlichen aus drei Elementen: Rudern, Essen und Trinken“ stand kürzlich im rudersport. So ist es. Aber beim nächsten Mal bitte auch Zeit für anderes: Besichtigungen z.B. Muss ja keine Ausstellung mit erotischen Zeichnungen von Félicien Rops sein.

Text: Heinrich Wirtz